Das in Bayreuth entwickelte Material hat im Vergleich mit bisherigen Trennverfahren einen grundsätzlichen Vorteil: Es ist imstande, CO₂ vollständig aus Gasmischungen zu entfernen, ohne CO₂ chemisch zu binden. Bei den Gasmischungen kann es sich um Abgase aus Industrieanlagen, aber auch um Erdgas oder Biogas handeln. In allen diesen Fällen lagert sich CO₂ allein aufgrund physikalischer Wechselwirkungen in den Hohlräumen des Materials an. Hier kann es ohne hohen Energieaufwand herausgelöst werden, so dass es als Ressource für die Industrieproduktion wieder zur Verfügung steht. Das Trennverfahren arbeitet also, chemisch gesprochen, nach dem Prinzip der physikalischen Adsorption. Wie ein geräumiger Speicher lässt sich das neue Material auf energieeffiziente Weise mit Kohlendioxid füllen und entleeren. Es wurde in den Bayreuther Laboratorien so strukturiert, dass es aus verschiedensten Gasgemischen jeweils nur das CO₂ und kein anderes Gas abtrennt.
Das neue Material ist ein anorganisch-organisches Hybridmaterial. Die chemische Basis sind Tonminerale, die aus Hunderten von einzelnen Glasplättchen bestehen. Diese sind jeweils nur einen Nanometer dick und exakt übereinander gestapelt. Zwischen den einzelnen Glasplättchen befinden sich organische Moleküle, die als Abstandshalter fungieren. Sie wurden hinsichtlich ihrer Form und ihrer chemischen Eigenschaften so gewählt, dass die entstehenden Porenräume optimal auf die Anlagerung von CO₂ zugeschnitten sind. Nur Kohlendioxid-Moleküle können in das Porensystem des Materials eindringen und werden hier festgehalten. Dagegen müssen Methan, Stickstoff und andere Abgaskomponenten aufgrund der Größe ihrer Moleküle draußen bleiben. Die Forscher nutzen hierbei den sogenannten Molekularsiebeffekt, um die Selektivität des Materials gegenüber CO₂ zu erhöhen. Derzeit arbeiten sie an der Entwicklung eines auf Tonmineralen basierenden Membransystems, welches eine kontinuierliche, selektive und energieeffiziente Abtrennung von CO₂ aus Gasmischungen ermöglichen soll.
Die Entwicklung eines für die Abtrennung und Bereitstellung von CO₂ maßgeschneiderten Hybridmaterials war nur möglich, weil in den Bayreuther Laboratorien eine spezielle Messanlage eingerichtet wurde, die präzise Aussagen über die Mengen adsorbierter Gase und über die Selektivität des adsorbierenden Materials ermöglicht. So konnten Industrieprozesse realistisch nachgebildet werden.
Veröffentlichung: Martin Rieß, Renée Siegel, Jürgen Senker, Josef Breu: Diammonium-Pillared MOPS with Dynamic CO₂ Selectivity, Cell Reports Physical Science (2020), DOI: 10.1016/j.xcrp.2020.100210
(Universität Bayreuth)