14. Juni 2023 I Um die Stahlproduktion klimafreundlicher zu gestalten, entwickeln Forschende des Fraunhofer UMSICHT im Projekt Carbon2Chem® ein Verfahren, mit dem Hüttengase verwertet werden können.
Im Fokus steht die Produktion von Methanol. Nach einer mehrjährigen Entwicklungsphase folgten ab 2020 Tests im Pilotmaßstab auf dem Institutsgelände in Oberhausen. Jetzt ist die Methanolanlage an das Stahlwerk der thyssenkrupp Steel Europe AG nach Duisburg umgezogen, wo sie mit Gasen der laufenden Stahlproduktion betrieben wird.
Die bei der Stahlproduktion anfallenden Hüttengase – bestehend u. a. aus Wasserstoff (H2), Stickstoff (N2), Kohlenstoffmonoxid (CO) und Kohlenstoffdioxid (CO2) – werden zumeist auf der Hütte thermisch verwertet, also im ersten Schritt verbrannt. Dabei setzt der Prozess am Ende große Mengen klimaschädliches CO2 frei. Das Fraunhofer UMSICHT forscht seit 2016 gemeinsam mit weiteren Projektpartnern aus Industrie und Wissenschaft an einer Lösung, mit der sich dieses CO2 stofflich verwerten und im Kreislauf führen lässt. Eines der Zielprodukte des Verbundprojekts Carbon2Chem® ist die Grundchemikalie Methanol, die aktuell noch aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird. Mit der Verwertung des CO2 knüpfen die Forschenden also gleich an zwei Stellen an: Das Klimagas gelangt nicht in die Atmosphäre und ist gleichzeitig die Basis für eine nachhaltige Methanolproduktion.
Erfolgreiche Skalierung der Versuchsanlagen
Auf die ersten vielversprechenden Versuchsreihen im Labormaßstab folgte die Skalierung bis hin zur Pilotanlage. Sie basiert im Kern auf einer vorhandenen Containeranlage und hat bisher 3 Liter Rohmethanol – darin enthalten sind in etwa 2 Liter reines Methanol – pro Stunde produziert. Parallel dazu haben die Forschenden den gesamten Verbund simuliert und einen digitalen Zwilling erstellt.
Bisher wurde die Anlage am Institutsstandort in Oberhausen mit Flaschengasen betrieben. Diese sauberen Gase wurden entsprechend der Zusammensetzung der verschiedenen Hüttengase zusammengemischt. Um den Prozess für die spätere industrielle Methanolproduktion final zu optimieren, ist die Anlage jetzt an das Stahlwerk der thyssenkrupp Steel Europe AG nach Duisburg umgezogen, wo sie mit Gasen der laufenden Stahlproduktion betrieben wird. Damit das Hochofengas für die Methanolsynthese nutzbar ist, wird es zuvor mit Hilfe der Pilotanlage von thyssenkrupp Uhde gereinigt.
Umzug von Oberhausen ins Technikum nach Duisburg
Zunächst mussten hierfür jedoch sämtliche baubehördlichen Genehmigungen eingeholt und alle Vorarbeiten – z. B. das Fundament gießen – abgeschlossen werden. Und auch für Projektkoordinator Tim Schulzke und sein Team am Fraunhofer UMSICHT, Verena Angenendt und Johannes Voß, begannen die Vorbereitungen bereits mehrere Wochen vor dem eigentlichen Umzug: Die Rohrleitungen zwischen den einzelnen Bauteilen wurden getrennt und die äußeren elektrischen Verbindungen rückgebaut.
Der zweitägige Umzug startete dann am 2. März. Zu Beginn von Tag eins wurde die Anlage transportfähig abgebaut. Nachdem das Dach und der Turm abgehoben waren, konnten Anbauteile wie Schachtleiter und Außenbühne abmontiert werden. Zwei Autokrane kamen dabei zum Einsatz, die auch die Verladearbeiten auf die bereitstehenden Sattelzüge übernahmen. Immerhin bringt es der Container auf gut 13 t Gewicht, dazu kommen noch einmal über 3,5 Tonnen für die restlichen Teile. In Duisburg begann am zweiten Tag der Wiederaufbau.
Nächster Schritt: industrielle Methanolproduktion
Sind die letzten Installationsarbeiten abgeschlossen, starten die Forschenden Mitte Juli einen ersten Testlauf zur Inbetriebnahme. Das nächste Etappenziel ist dann die tägliche Produktion von 75 Litern Rohmethanol im Dauerbetrieb. Ende Mai 2024 soll die Testphase abgeschlossen sein, sodass der Übergang in die industrielle Methanolproduktion aus Hüttengasen starten kann.
Industrieübergreifender Prozess
Und künftig könnten nicht nur Stahlwerke vom Projekt Carbon2Chem® profitieren: Aufgrund des modularen Aufbaus der Methanolanlage ist es möglich, den Prozess auf weitere CO2-emittierende Industrien zu übertragen – z. B. Müllverbrennungsanlagen oder Zementwerke. Bei der Zementherstellung etwa wird aufgrund der chemischen Reaktion beim Brennen von Kalk immer CO2 freigesetzt.
(Quelle: Fraunhofer Umsicht/2023)