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Biogas und Bioraffinerie im Doppelpack

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Autor: Elisabeth Terplan

Bild: Universität Hohenheim / Max Kovalenko

24. Oktober 2023 | Wenn mit der Biogasanlage eine landwirtschaftliche Bioraffinerie verknüpft wird, ermöglicht das eine effiziente Nutzung von Biomasse aus Reststoffen. Neben Energie aus erneuerbaren Quellen entstehen sogenannte Plattformchemikalien – Ausgangsstoffe etwa für Kunststoffe oder Holzbindemittel. Das Forschungsprojekt BioKop an der Universität Hohenheim hat ein Konzept erarbeitet, durch das Stoffkreisläufe geschlossen werden und die Kopplung beider Technologien für Synergieeffekte sorgt.

 

Das Forschungsprojekt “Energetische und stoffliche Kopplung einer Biogasanlage mit einer Bioraffinerie (BioKop)” verfolgt die Ausarbeitung eines dezentralen Bioraffinerie-Konzeptes nach induktivem Ansatz. Ziel ist die effiziente Kopplung der Abwärme des Blockheizkraftwerkes (BHKW) einer Biogasanlage mit einer landwirtschaftlichen Bioraffinerie, die lokal erzeugte Biomasse in Plattformchemikalien umwandelt.

Dies ist besonders bei on-farm-Bioraffinerien, die auf eine dezentrale Produktion von Plattformchemikalien abzielen, von großer Relevanz. Sie nutzen nachwachsende Rohstoffe sowie organische Abfälle als Ausgangsmaterialien. Dadurch wird nicht nur die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen reduziert, sondern es entstehen auch neue, regionale Wertschöpfungsketten. In BioKop liegt der Fokus auf der Gewinnung von Hydroxymethylfurfural (HMF), aber auch Furfural und Lignin, welche sich aus lignocellulose-haltigen Biomassen erschließen lassen. HMF ist eine wichtige biobasierte Plattformchemikalie, die sich als Zwischenprodukt für die Kunststoffherstellung eignet. Furfural birgt ein hohes Potential Formaldehyd in Holzbindemitteln zu ersetzen. Das Lignin kann im Anschluss für die Herstellung von Kohlenstoffmaterialien, wie z.B. Elektroden, verwendet werden. Das Konzept beinhaltet die Entwicklung kleiner modularer Anlagen in ländlichen Regionen, wo Biomasse zum Erzeugerpreis bezogen werden kann. Hier bieten sich Biogasanlagen als ideale und nachhaltige Energiequelle an.

Insbesondere die Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Abfallstoffe hat sich hier als sinnvoll erwiesen, da diese Abfälle in großen Mengen anfallen und häufig ein Entsorgungsproblem darstellen. Durch ihre Verwertung zur HMF-Herstellung können diese Reststoffe effizient genutzt werden, anstatt sie zu entsorgen oder zu verbrennen. Das führt wiederum zu einer Wertsteigerung der Biomasse, von dem Landwirt:innen und Biogasbetreiber:innen profitieren können, die nachwachsende Rohstoffe ihrer Substratmischung zugeben.

Im Fallbeispiel für die HMF-Herstellung aus Chicorée hat die Rückführung des extrahierten Feststoffes sogar einen positiven Einfluss auf die Biogaserzeugung. Die Erkenntnisse des Projektes haben gezeigt, dass der Biogasertrag durch die zusätzliche Zuführung des Feststoffabfalls nach der Zuckerextraktion um etwa 30 % gesteigert werden konnte im Vergleich zu einer Substratmischung ohne Chicoréerückstände. Zudem können die zuckerreichen Prozesswässer ebenfalls über die Einsatzstoffströme der Biogasanlage zugeführt werden. Dies ist möglich, da die Herstellung der Basischemikalie unter wässrigen Bedingungen erfolgt und so prinzipiell keine toxischen Substanzen in den Biogasprozess eingeführt werden, die die mikrobielle Aktivität bei der Biogaserzeugung inhibieren.

Ein kalkulatorisches Szenario, basierend auf Realdaten der Versuchsstation ‚Unterer Lindenhof‘, wo die Kopplung der beiden Verfahren aktuell untersucht wird, ergab, dass eine Biogasanlage mit einer thermischen Leistung von etwa 250 kW eine Bioraffinerie mit Chicorée als Ausgangsbiomasse und einem HMF-Durchsatz von 480 kg/h versorgen kann. Der Vorteil dabei ist, dass hier nur ein Bruchteil der Wärme abgeführt wird und noch genügend für die Beheizung des Fermenters sowie der umliegenden Ställe zur Verfügung steht.

Die Verwertung der Sekundärströme trägt nicht nur dazu bei Kreisläufe zu schließen, sondern zielt speziell auf die Synergieeffekte ab, die sich aus der Kopplung beider Technologien ergibt. Denn ein höherer Methanertrag im Biogas ermöglicht auch die Skalierung einer größeren Anlage mit höherem HMF-Durchsatz, da mehr Wärme im Abgas des BHKWs zur Verfügung steht. Im Sommer steht eine erhebliche überschüssige Wärmemenge aus dem Biogasprozess zur Verfügung, da die Grundlast in der warmen Jahreszeit vergleichsweise niedrig ist. Gleichzeitig steigt die Menge an Abfallstoffen durch die Ernte vieler Kulturpflanzen in den Sommermonaten an. Infolgedessen kann die ungenutzte BHKW-Abwärme effizient in die Bioraffinerie eingespeist werden, um die Pflanzenreste zu Wertstoffen umzuwandeln. Im Gegenzug wird in der Biogasanlage der organische Abfall aus der Bioraffinerie der Substratmischung zur Produktion von Biogas zugeführt. Durch diese Kombination wird die maximale Nutzung der vorhandenen Biomasse und Abfallströme gewährleistet.

Chicorée bildet hier aber nur eine von vielen Möglichkeiten. Ihr Nachteil ist, dass sie deutschlandweit nur vereinzelt angebaut wird und ein großes Einzugsgebiet hat, was unvorteilhaft zur Stärkung regionaler und ländlicher Wertschöpfungsketten ist. Zudem fallen die HMF-Ausbeuten bezogen auf die Frischmasse der Chicorée-Wurzeln gering aus, da der hohe Wasseranteil der Wurzeln die extrahierten Zucker, die für die HMF-Herstellung benötigt werden, stark verdünnt.

Eine vielversprechende Alternative zu Chicorée bildet Lignocellulose-Biomasse, die in einer ähnlichen Bioraffinerie zu HMF umgesetzt wird. Dabei werden jedoch zudem Furfural und Lignin als Koppelprodukte gewonnen, wodurch sich die Prozesswertschöpfung erhöht. Zu Lignocellulosen, die als landwirtschaftliche Reststoffe anfallen, gehört beispielsweise Stroh, ein reichlich vorhandenes Ausgangsmaterial mit hoher regionaler Verfügbarkeit. In einer sogenannten grünen Bioraffinerie, in der Proteine aus Wiesengras für die Futtermittelherstellung extrahiert werden, fällt ein zuckerreicher Presssaft an, der sich bestens für die Herstellung von Plattformchemikalien wie HMF eignet.

Miscanthus, der eine ähnliche chemische Zusammensetzung wie Stroh und ein hohes Ertragspotenzial aufweist, eignet sich bei der Ernte im Herbst für die Biogaserzeugung. Gleichzeitig erweist sich ein im darauffolgenden März geerntetes Material als ideal für die HMF-Gewinnung, da in diesem Pflanzenstadium die Wassergehalte weniger als 20 % betragen. Dadurch können nach der Extraktionsstufe hohe Zuckerkonzentrationen erreicht werden. Auch aus pflanzenbaulicher Perspektive macht der Anbau des Süßgrases zudem durchaus Sinn: Es fördert die Bodenfruchtbarkeit, verhindert Bodenerosionen und benötigt nach der Bestandsetablierung lediglich eine Düngergabe im juvenilen Stadium bevor es über einen Zeitraum bis zu 20 Jahren kultiviert werden kann. Da Miscanthus eine ausdauernde Pflanze ist, können somit auch unerwünschte Nebeneffekte auf die Biodiversität vermieden werden und Ökosystemdienstleistungen erhalten bleiben.

 

(Quelle: Uni Hohenheim/2023)